6. FUNK.TAG in Kassel am 27.04.2024

Mein erster Detektor-Empfänger

Ein Beitrag von Hans, DJ1ZH
(siehe auch CQ-DL Heft 5-2011, Seite 352)

Es war in der Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Rundfunkgeräte gab es keine mehr. Sie waren alle von der Besatzungs­macht eingesammelt und in unser westli­ches Nachbarland „exportiert" worden. Wir waren damals eine kleine Gruppe von Freunden, und wir kamen uns alle sehr schlau vor, obwohl wir von so vielen Dingen keinerlei Ahnung hatten, von Hochfrequenztechnik schon gar nicht. Trotzdem kam einer eines Tages mit der Weisheit daher, dass ein so genannter De­tektor-Empfänger ganz leicht selbst zu bauen wäre. Mit dem könnte man dann Rundfunk hören. In einem einbändigen Konversationslexikon fand ich ein winzi­ges Schaltbild mit einem bisschen Text. Man konnte lernen, dass ein solcher Empfänger aus einer Spule, einem Dreh­kondensator, einem Kristalldetektor und einem Blockkondensator aufgebaut war. Nun konnte die Suche nach den Bautei­len beginnen. Da wir so schlau waren, kam keiner auf die Idee, vor dem Start unseres Projektes irgendwo Rat einzuho­len. Als erstes steuerte der Sohn eines Au­tomechanikers die Spule bei, eine offene Zündspule mit unzähligen Windungen feinen Drahtes, weswegen wir alle darin schon mal eine gute Aussicht auf Erfolg sahen. An der elektrischen Nähmaschine meiner Mutter war gut verdeckt ein qua­derförmiges Gebilde montiert. Darauf stand zwar „Störschutz-Kondensator", aber weil das Ding so schön viereckig war, folgerte ich, dass es sich um einen Blockkondensator handeln musste. Ein­mal allein zu Hause, baute ich den Kon­densator ab und stellte fest: Die Nähma­schine funktionierte auch ohne dieses Bauteil - meine Tat wurde nie entdeckt. Nun kam der größte Brocken, der Kristall­-Detektor. Wir begannen schon alle Hoff­nung zu verlieren, als einer aus unserem Team ein Lexikon beibrachte, in dem spe­ziell ein Kristall-Detektor beschrieben war, bestehend aus einer feinen Metall­spitze, die gegen ein Stück Bleiglanz oder Schwefelkies gedrückt wurde.

Da unser Dorf in einem Schwarz-Jura Gebiet lag, gab es einige kleine Steinbrüche, in denen Schwefelkies, der bei uns Katzengold hieß, leicht zu finden war. Einen Drehkondensator konnten wir nirgends auftreiben. Wir dachten uns, dass ein Fahrrad auch ohne Brem­se fährt und folgerten daraus: Vielleicht funktioniert unser Produkt auch ohne so ein Teil.

Nachdem wir am Ende mit unserem „Empfänger" beim besten Willen nichts, aber auch gar nichts, hören konnten, mussten wir einsehen, dass unser Produkt nicht das tat, was es sollte. Gott sei Dank haben wir es damals nicht sofort entsorgt, sondern nur eine Zeit lang schamhaft versteckt. Und so brachte es uns etwas später doch noch den großen Durchbruch.

Wie kam das? Zu jener Zeit wohnte ei­nige Häuser weiter von uns entfernt ein älterer Herr. Er hieß Martin Kern und kam jeden Tag auf seinem Weg zur Arbeit bei uns vorbei. Im ganzen Dorf nannte man ihn „Patent Marte". Das hatte Gründe, denn er war ein begabter Tüftler. Ich, damals noch ein sehr schüchterner Junge, kämpfte viele Tage lang mit mir, bis ich mir ein Herz fasste und es wagte, den großen Erfinder auf seinem abendlichen Heimweg anzu­sprechen.

Er zeigte sich als seelenguter Mensch und sagte sofort: „Zeig mir doch mal deinen Empfänger". Nie werde ich sei­ne Reaktion und sein Gesicht vergessen. Keine Spur von Spott, nein, der Mann war gerührt, sehr gerührt sogar. Es brauchte einige Augenblicke bis er sagte: „Komm Bub, ich hab für dich et­was". Auf seinem Dachboden öffnete er eine Kiste und mir gingen die Augen über. Allerlei nagelneue Bauteile in großer Menge kamen zum Vorschein. Der „Patent Marte" packte mir gleich von jedem benötigten Teil einige in ei­nen Karton, sodass es für alle Freunde reichte, zeichnete auf den Karton­deckel ein genaues Schaltbild und bot mir jede Hilfe an.

Aber woher hatte er diese ganzen Bau­teile? Im Jahr 1920 war in unserem Dorf Gomaringen die Deutsche Radio Gesellschaft mbH (DERA) gegründet worden. Martin Kern war der Mitbe­gründer gewesen. Aber im Jahr 1926 hatte die Firma schon wieder aufgeben müssen. Übrig gebliebene Bauteile wa­ren dann teilweise an die Mitarbeiter verteilt worden. Und so konnte Martin Kern auch später noch für längere Zeit vielen anderen jungen Bastlern eine Freude machen.

Hans, DJ1ZH

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