6. FUNK.TAG in Kassel am 27.04.2024

Ausgangslage

Das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021 war eines der größten Naturereignisse, die Deutschland in den letzten Jahren erlebt hat. Dir schweren Zerstörungen im Ahrtal sorgten nicht nur für sehr viel Leid in der Bevölkerung, sondern zerstörten auch grundlegende Infrastruktur binnen Minuten. Neben Strom und Trinkwasser war auch die Kommunikation der Bevölkerung und von kritischen Infrastrukturen sowohl über Mobilfunk wie auch über Festnetz massiv beeinträchtigt. Für viele Familien war es nicht möglich, das sprichwörtliche Lebenszeichen ihrer Verwandten aus dem Ahrtal zu empfangen oder ihren Verwandten zuzusenden. Auch wenn die Telekommunikationsunternehmen mit einem provisorischen Wiederaufbau begannen, blieb für viele Leute Kommunikation und hier insbesondere auch Internetzugänge ein großes Problem. Dieses wurde verstärkt, nachdem die Landesregierungen die Anträge für Soforthilfen zum Hochwasser, als Online-Formulare zur Verfügung stellten.

 

Wir als DARC e.V. haben uns in diesem Moment auf die Aussagen der Einsatzkräfte vor Ort verlassen und unseren Mitgliedern empfohlen, das Einsatzgebiet weiträumig zu meiden. Mit dem weiteren Verlauf der Rettungs-, Bergungs- und Aufräumarbeiten kamen jedoch immer mehr Aussagen hervor, die aufzeigten, dass eine Hilfe durch die Mitglieder des Vereins eventuell eine Verbesserung der Situation vor Ort ergeben hätte. Aufgrund dieser Aussagen und sehr vieler Gespräche mit Betroffenen, Einsatzkräften und Politikern wurde versucht zu ermitteln, wie ein DARC e.V. in der Zukunft bei solchen Schadenslagen unterstützend tätig werden kann. Hierzu wurden als Erstes die Erfahrungen aus 2021 gesammelt, welche im Rahmen der Katastrophe gewonnen werden konnten. Hierbei handelt es sich zum Teil um sehr unbequeme Wahrheiten, denen wir jedoch ins Gesicht blicken müssen um in Zukunft besser reagieren zu können.

 

Kein Bedarf

Kein Bedarf

In der Vergangenheit hat der DARC e.V. seinen nationalen Notfunk sehr stark auf die Zusammenarbeit mit den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ausgerichtet. In den letzten Jahren wurde dies in Richtung aller Bedarfsträger erweitert, hatte jedoch weiterhin eine faktische Begrenzung auf Behörden und Ministerien aus dem Bereich des Katastrophenschutzes. Trotz aller Anstrengungen konnten jedoch nur in wenigen Bereichen tragfähige Kooperationen umgesetzt werden, die einen mittel- oder langfristigen Bestand hatten. Vielerorts war man an gar keiner Kooperation interessiert, da man "Funk selber kann". Mit der Einführung des Digitalfunks bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben verstärkte sich dieser Eindruck noch weiter. Dies führte dazu, dass bei der Katastrophe im Ahrtal als erstes versucht wurde über die regulären Kanäle Hilfe anzubieten. Dies führte zu Ablehnungen und deutlichen Ansagen, dass Kommunikation vor Ort nicht benötigt wird. Was sich im Nachgang als sehr individuelle Aussagen darstellte, da an einigen Stellen die Unterstützung bei Kommunikation dringend notwendig gewesen wäre.

 

Hier muss der DARC e.V. in Zukunft flexibler aufgestellt sein und auch ohne Bitten von Behörden, im Zweifel für den Bürger, tätig werden. Beim Warten auf eine eventuelle Anfrage von Behörden kann wichtige Zeit vergehen, welche die Leute vor Ort ohne Kommunikation zurücklässt.  Diese Flexibilität bedingt natürlich auch, dass die Mitglieder, die so ein Projekt begleiten, entsprechend für diese Tätigkeiten geschult und ausgebildet werden. Denn das Risiko sich selber oder andere zu gefährden ist in diesem Falle wesentlich erhöht.

Wenige Helfer

Wenige Helfer

Der Notfunk innerhalb des DARC e.V. hat, wie viele andere Vereine auch, das Problem der Mitgliederzahlen. Unser Hobby ist sehr breit gefächert und während früher CW und SSB die Betriebsarten der Wahl waren, gibt es zwischenzeitlich dutzende Betriebsarten und Betätigungsfelder für Funkamateure. Daher hat natürlich auch der Notfunk keine Zahlen an Mitgliedern, die sehr personalintensive Tätigkeiten erlauben. Während früher Konzepte für Notfunk-Meldestellen in jedem Ort noch umsetzbar waren, ist dies in den heutigen Zeiten und in Gebieten wie z.B. dem Ahrtal nicht mehr realisierbar. Nicht nur, dass auf diesem Wege unnötig viele Personen in Gebiete gebracht werden, die nicht förderlich für die persönliche Sicherheit sind, so müssen diese Mitglieder auch versorgt werden. Gerade in der Anfangsphase einer solchen Katastrophe haben sowohl die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie auch andere Beteiligte andere Aufgaben als die Mitglieder des DARC e.V. zu versorgen.

 

Daher muss ein zukünftiges Notfunkkonzept mit möglichst wenigen Helfern auskommen, die sich über einen bestimmten Zeitraum autark, d.h. unabhängig von anderen Beteiligten im Gebiet, versorgen können. Hierzu zählt nicht nur Lebensmittel und Trinkwasser, sondern auch Schlafmöglichkeiten, Toiletten, Strom und Wärme. Je weniger Mitglieder hierüber versorgt werden müssen, um so einfacher ist diese Versorgung zu realisieren. Dies ist im späteren Verlauf der Aufräumarbeiten nicht mehr so relevant, da dort dann bereits etablierte Prozesse angelaufen sind. In der ersten Phase einer Katastrophe ist dies jedoch sehr wichtig.

Kommunikation

Kommunikation

Drahtlose Kommunikation ist das Steckenpferd der Funkamateure und das klappt in Zeiten in denen alles ruhig ist, auch sehr gut. Die Katastrophe im Ahrtal hat jedoch gezeigt, dass die Kommunikationsstrukturen innerhalb des DARC e.V. nicht für ein solches Ereignis ausgelegt sind. Es gab sehr viel Kommunikation, die suboptimale Wege nahm und den eigentlichen Empfänger oftmals nur auf Umwegen erreicht hat. Auch fehlte für externe Anfragen eine zentrale Anlaufstelle, die solche Anfragen entgegengenommen und koordiniert hätte. Dies führte zu Situationen, wo Anfragen noch umhergeschickt wurden, die bereits mehrere Tage nicht mehr aktuell waren. Dies verursacht nicht nur bei potenziellen Helfern Frust, weil sie sich auf Anfragen melden, die schon lange nicht mehr aktuell sind. Es schafft auch auf allen Ebenen unnötige Arbeit, da immer wieder wahlfrei Leute über den aktuellen Stand informiert werden müssen.

 

Daher muss ein zukünftiges Konzept für den Notfunk im DARC e.V. auch diesen Punkt betrachten und Strukturen schaffen, welche die Stellung und Bearbeitung von Anforderungen optimiert und klar definierte Schnittstellen schafft. Nur so können die Kräfte des Vereins und seiner Mitglieder sinnvoll eingesetzt werden.

 

Material

Material

Notfunk und die Notfunkkoffer gehören seit vielen Jahren zusammen. Oftmals werden in diesen Koffern Geräte im vierstelligen Bereich verbaut, mit welchen dann eine Kommunikation via HF und UHF/VHF möglich sein wird. Diese Technik ist für ein Szenario wie den Blackout und die persönliche Freizeitgestaltung gleichermaßen von Vorteil, jedoch stellt sich die Frage, ob diese Technik in einem Szenario wie dem Ahrtal irgendwelche Vorteile bringt. Und hier müssen wir uns als Funkamateure auch eingestehen, dass eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung im Ahrtal keine signifikanten Probleme gelöst hätte, denn die Probleme liegen in der heutigen Zeit und bei der betrachteten Betroffenengruppe im Regelfall in einer digitalen Kommunikation um das Internet zu erreichen oder andere IP-basierte Dienste zu nutzen. Hierfür gibt es nur bei sehr wenigen Funkamateuren entsprechendes Equipment und dieses ist oftmals sehr speziell auf diesen einen Funkamateur zugeschnitten. Eine einheitliche Plattform für diese Hardware gibt es nicht, sodass im Zweifelsfall bei einem Wechsel der Helfer vor Ort auch die gesamte Technik getauscht werden müsste.

 

Daher muss ein neues Konzept für den Notfunk auch die Ebene der Technik betrachten und einheitliche Vorgaben für zentral zu beschaffende Technik machen. Auch müssen vorhandene Techniken sehr kritisch auf deren Nutzbarkeit im Falle einer größeren Katastrophe geprüft werden. Nur so können sinnvolle Ansätze zur Hilfeleistung gemacht werden, die auch die Aus- und Weiterbildung wie auch die Belastung der Mitglieder des DARC e.V. berücksichtigen.

Strukturen

Strukturen

Nachdem alle oben genannten Punkte und Forderungen erfüllt wurden, stellt sich die Frage, ob wir als DARC e.V. dann bei einer ähnlichen Katastrophe wie dem Ahrtal würden helfen können. Bei einem großen Blackout können sich Funkamateure vor Ort über das lokale Relais abstimmen und ggf. weitere Aktivitäten planen. Wenn man für mehrere Tage in ein Gebiet fährt, welches stark beschädigt wurde und alle Infrastruktur erst mitbringt, kann dies nicht ohne Koordination ablaufen. Denn sowohl die Versorgung, wie auch der Transport, das Material, das Verbrauchsmaterial, die Tätigkeiten vor Ort, die Arbeitsbelastung der Mitglieder und auch die Nachsorge nach einem solchen Erlebnis müssen koordiniert angegangen werden.

 

Daher müssen wir uns in Zukunft auch Gedanken machen, in welchen Strukturen eine solche Unterstützung bei Katastrophen überhaupt möglich ist und ob hierbei alle Mitglieder gleichermaßen unterstützen können. Hier muss auch jedes Mitglied sich selber sehr kritisch betrachten und überlegen, ob es sowohl physisch, psychisch aber auch vom Lebensumfeld her in der Lage ist solche Unterstützung zu leisten. Auch als Verein müssen wir uns überlegen, welche Möglichkeiten wir haben um diese Unterstützungsmaßnahmen zu koordinieren und anzubieten.

Diese Website nutzt ausschließlich technisch erforderliche Cookies. Wir benutzen keine Cookies, die eine Einwilligung erfordern würden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. X