50MHz 6m "Magic Band"

    6. FUNK.TAG in Kassel am 27.04.2024

    50MHz 6m "Magic Band"

      50MHz 6m "Magic Band"

      Wolfgang Müller, DK2EA

       

      Vermutlich ist es einfacher, die Launen einer kapriziösen Filmdiva zu beschreiben als die überaus vielfältigen Ausbreitungsverhältnisse auf dem 6m-Band, das deshalb zu Recht mit dem Titel „The Magic Band“ bedacht wurde. Dennoch werde ich nachfolgend versuchen, zumindest die wichtigsten bzw. häufigsten Vorgänge etwas näher darzustellen, wie ich sie in rund 25 Jahren intensiven Funkbetriebs auf diesem Band erleben durfte. Vorab, das 6m-Band (50MHz) liegt zwischen der klassischen Kurzwelle und der Ultrakurzwelle. Von beiden Elternteilen hat es Eigenschaften mitbekommen, wobei mal der eine, mal der andere Anteil überwiegt. Sind die ca. alle 11 Jahre auftretenden Sonnenfleckenmaxima sehr stark, kommt es zur Ausbreitung über die F2-Schicht, welche mit kleinsten Leistungen Kontakte zu allen Kontinenten ermöglicht. Einzige Voraussetzung: Tageslichtstrecken, daher ist ZL schon relativ grenzwertig. Doch auch longpath funktioniert, so ist Hawaii von DL aus auf 6m praktisch nur mit der Antenne nach Süden erreichbar. F2 ist fraglos die Königin, die Nr. 1 aller Bedingungen. Ähnlich wie F2 profitiert Nr. 2, die TEP, von Plasmablasen, die sich symmetrisch südlich und nördlich des Äquators in ca. 400km Höhe bilden, welche >50MHz zurück zur Erde zu beugen vermögen. TEP gestattet in erster Linie Nord-Süd-Verbindungen, mit leichter Schräglage ist auch oft Südamerika oder Ostafrika und Madagaskar zu erreichen. Die TEP wird noch unterteilt in A-TEP nachmittags und E-TEP am Abend. Leider reicht die von ihr begünstigte Streuzone nur knapp zu den Alpen. Aber hin und wieder ergibt sich eine „Verlängerung“, nämlich durch Nr. 3 unserer Bedingungen, der sporadischen E-Schicht. Diese liegt zwar nur in ca. 100km Höhe, doch die rund 2000km, die sich als max. Sprungzone ergeben, reichen zum Anschluss nach Afrika oder Südamerika allemal. Sporadische E-“Schicht“, dieser Name ist eigentlich falsch. Denn es handelt sich vielmehr um eine Art ionisierter Wolken, welche mit hoher Geschwindigkeit von Ost nach West driften. Die Anzahl solcher Wolken und ihr Ionisationsgrad, der sich als „MUF“ beschreiben lässt, schwankt stark. Sind viele Es-Wolken über eine große Fläche verteilt, kommt es zu Mehrfach-Sprüngen, womit durchaus Stationen aus Fernost, Mittelasien, den USA und der Karibik erreicht werden können. Diese Es ist auch verantwortlich für die bekannten Überreichweiten im 2m-Band, wobei es hier ebenfalls zu Mehrfach-Beugungen kommen kann, z.B. nach 4X oder EA8. Nr. 4, die Aurora, erfreut F2, TEP und Es-Nutzer weniger, denn tritt sie auf, fallen ihr die anderen Ausbreitungsarten anheim. Doch je nachdem wie stark die der Aurora Kraft gebende Störung des Erdmagnetfeldes durch Sonnenstürme ist, können Stationen ca. bis zum 50. Breitengrad das Ereignis nutzen, bei welchem beide ins QSO kommenden Stationen ihre Antennen in Generalrichtung Norden stellen müssen. Die Aurora-typische Verfremdung der Signale lässt außer CW auf 6m für geübte Ohren sogar noch SSB-Verbindungen zu. Vorwiegend gegen Ende einer Aurora tritt in nördlichen Breiten noch die sog. Aurora-E in Erscheinung. Im Gegensatz zur Aurora sind deren Signale tonrein und von erstaunlicher Feldstärke. Aurora-E kommt eher selten und meist nur kurzzeitig vor, eröffnet aber mitunter ungewöhnliche Funkpfade, z.B. nach JW oder OX. Fallen alle der bisher aufgezählten Funkbedingungen aus, kann man immer noch versuchen, Reflexionen an Meteoritenbahnen als Übertragungsmedium zu nutzen. Abgesehen von den bekannten dichten Schauern besteht diese Möglichkeit praktisch das ganze Jahr hindurch, zumal hierfür inzwischen mit digitaler Technik tolle Anwenderprogramme entwickelt wurden. Diese lassen sich auch für EME einsetzen, doch wird es beim Antennenaufwand schwierig, aus den in DL erlaubten 25W HF eine ERP im kW-Bereich hervorzuzaubern. Troposphärische Überreichweiten, wie von >2m her bekannt, gibt es zwar auf 6m auch, doch spielen sie kaum eine praktische Rolle und finden gewöhnlich bei 6-700 km ihr Ende. Hauptnutzen sind Verbindungen über die Alpen hinweg, also per sogenannter TAP oder wer das Glück hat, freie Sicht über das Meer hinweg zu haben. Nun kommen die anfangs erwähnten „Launen“ ins Spiel, denn das reale Geschehen auf 6m erschöpft sich keineswegs darin, dass immer nur eine der Ausbreitungsarten vorliegt. Eher die Regel ist es, dass mehrere Parameter mitwirken, deren Anteile und Dauer ständigen Schwankungen und Veränderungen unterliegt. Von Tag zu Tag, ja mitunter von Stunde zu Stunde findet man andere Verhältnisse vor und manchmal ist für einige Minuten eine DX-Station zu arbeiten und man hat keine Ahnung, welcher Modus das nun eben war. Dazu selber Erlebtes: Seit August 2015 versuchte ich die Station TY2AC zu erreichen, welche fast täglich im DX-Cluster gemeldet war. Nie war das Signal hörbar oder so stark, dass eine Chance zum Kontakt bestanden hätte. Am 11. Mai 2016 wieder Cluster-Meldungen. Ich lauschte, hörte eine EU-Station im QSO und fiel fast vom Stuhl als TY2AC zurück kam: 599! Binnen 20 Sekunden war mein QSO im Kasten und schon 3-4 Minuten später verschwand das Signal aus Benin wieder im Rauschen. Ich könnte mindestens ein Dutzend ähnlicher Abläufe aufzählen, doch schon dieses Beispiel soll zeigen, wie es auf 6m zugeht. Nie die Flinte ins Korn werfen, jede Menge Geduld aufbringen, dann aber blitzschnell und gekonnt zuschlagen, das ist auf diesem Band DXers Tugend!

      DK2EA

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